Wollten Sie auch schon einmal Mäuschen in einem Vorstellungsgespräch sein?
Wie wäre es, wenn Sie den Fragen des Personalers und den Antworten der Bewerber lauschen könnten? Wenn Sie sich ein eigenes Bild von Bewerbern machen könnten und entscheiden, ob Sie einstellen würden oder nicht?
Genau das wird mit diesem Buch möglich, denn die Personalerin Sabine Schumann nimmt Sie mit in die besten Vorstellungsgespräche aus 25 Jahren Personalarbeit.
Seien Sie dabei, wenn ein Bewerber den Zucker von der Untertasse klaut und noch weitere Gegenstände in seiner Tasche verschwinden oder bewerten Sie, wie es ankommt, wenn ein anderer Bewerber Geschenke mitbringt. Lachen Sie über einen missglückten Flirtversuch oder bangen Sie mit einer Bewerberin, deren Schluckauf ein Fortführen des Gesprächs unmöglich macht.
Am Ende jedes Gesprächs erfahren Sie, ob und warum die Bewerber eingestellt wurden.
Tiefer ließ sich ein Personalentscheider noch nie in die Karten schauen.
ISBN: 978-3-7987-0448-0 Im Buchhandel oder online für 17,60 €
Flirtversuch (Auszug)
Evangelos Kyriakidis
Seit einigen Jahren schon geistert ein Gespenst durch die Arbeitswelt und versetzt Unternehmer und Personaler gleichermaßen in Angst und Schrecken: der Fachkräftemangel. Branchenübergreifend hört man die Klage, dass man kaum noch geeignete Fachkräfte am Markt bekommen kann. Am lautesten schreien gerade diejenigen, die nicht selbst ausbilden. Sie sorgen sich nicht um den eigenen Nachwuchs und wundern sich, dass nichts nachkommt. Dabei wäre es so einfach, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Man müsste nur etwas Weitblick an den Tag legen. Von diesem Missstand mal abgesehen sind gute Mitarbeiter immer auf dem Arbeitsmarkt vergriffen. Wir Personalverantwortliche haben längst eine Antwort auf die eingeschränkten Beschaffungsmöglichkeiten gefunden: wir arbeiten Hand in Hand. Networking nennt man das inzwischen ganz wertneutral. Und wenn es gut läuft, können alle davon profitieren. Die Zusammenarbeit mit meiner ehemaligen Studienkollegin Heike Severin läuft beispielsweise gut. Wir sind einige Jahre nach dem Studium in derselben Branche gelandet und bemühen uns um dieselben Mitarbeiter auf einem abgegrasten Arbeitsmarkt. Dennoch stehen wir nicht in Konkurrenz zueinander. Was uns unterscheidet, ist die Betriebsgröße. Sie ist gemeinsam mit ihrem Mann in das inhabergeführte Unternehmen ihres Schwiegervaters eingestiegen. Dort erledigt sie alle anfallenden Personalangelegenheiten für ca. 70 Mitarbeiter inkl. Lohn- und Gehaltsabrechnung. Ich bin Personalleiterin in einem Betrieb mit rund 450 Mitarbeitern, habe aber drei Mitarbeiterinnen, die mit mir an einem Strang ziehen. Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Heike und mir ist die Gewinnung von Fachkräften. Und eben diese spielen wir uns gegenseitig zu. So habe ich regelmäßig Bewerbungsläufe und treffe auf potenzielle Bewerber. Da in der Regel nur ein Kandidat für die Besetzung einer Stelle zum Zuge kommen kann, müsste ich oftmals guten Leuten absagen. Und genau das mache ich nicht, sondern ich leite sie – ihr Einverständnis vorausgesetzt – an meine Berufskollegin weiter. Eine Win-Win-Situation. Zunächst einmal für die abgelehnten Bewerber, die durch die Weiterleitung eine weitere Chance auf einen neuen Job bekommen. Und dann natürlich auch für Heike, die sich eine teure Personalakquise nicht leisten möchte. Eine Empfehlung von mir ist nur eine Art Eintrittskarte für die Bewerber. Die Personalentscheidung trifft Heike selbstverständlich selbst. Aber sie weiß, dass ich ihr niemanden empfehlen würde, den ich nicht auch selbst einstellen würde, und so kommt sie spielend leicht an geeignete Mitarbeiter. Damit alle etwas davon haben, leitet sie mir im Gegenzug ehrgeizige Mitarbeiter weiter, die sie im Familienbetrieb aufgrund von fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten oder mangelndem Spielraum bei der Vergütung nicht länger halten kann. Heute habe ich nun einen solchen Bewerber aus unserem doppelseitig funktionierenden Netzwerk im Gespräch. Evangelos Kyriakidis. Er hat zunächst eine Ausbildung zum pharmazeutisch-technischen Assistenten gemacht, aber sehr bald sein Talent als Produktberater für Medizingeräte im Außendienst erkannt. Er ist zielstrebig und ehrgeizig und will weiter auf der Karriereleiter emporklettern. Im Betrieb von Heikes Schwiegervater gibt es für ihn allerdings keine Sprosse mehr auf der Leiter. Mehr weiß ich bislang nicht von ihm und das ist auch so gewollt. Weder Heike noch ich wollen dem jeweils anderen seine Kompetenz in der Beurteilung von Bewerbern absprechen und geben neben der eigentlichen Empfehlung nur wenige Kennziffern mit. Das zeugt von gegenseitigem Respekt, denn trotz der unterschiedlichen Betriebsgrößen, in denen wir arbeiten, begegnen wir uns auf Augenhöhe. Das Äußere von Herrn Kyriakidis irritiert mich. Er ist barfuß in hellen, weichen Mokassins, trägt eine schwarze Lederhose und hat sein Hemd bis zum dritten Knopf geöffnet. Dadurch wird der Blick auf die behaarte Brust und eine schwere Goldkette mit überdimensionalem Anhänger frei. Bei genauem Hinsehen erkenne ich in dem Anhänger einen Skorpion. Am Outfit werden wir auf jeden Fall arbeiten müssen, denn wir haben einen guten Ruf in der Branche und werden unsere Außendienstmitarbeiter nicht ohne Socken zum Kunden entsenden. Aber gut. Beschwingt beginne ich das Gespräch. Dabei nehme ich kein Blatt vor den Mund: „Herr Kyriakidis, schön, dass Sie heute gekommen sind. Sie sind ja auf Empfehlung von Frau Severin hier. Haben Sie einen Lebenslauf mitgebracht?“ “Nein, ich habe keinen Lebenslauf dabei. Aber Heike wird dir bestimmt einiges über mich erzählt haben.“, sagt er und grinst mich an. Ich atme tief ein, reiße reflexartig die Augen auf und gleichzeitig heben sich meine Augenbrauen. Da ist es wieder: dieses despektierliche „du“, das in der Arbeitswelt so gar nichts zu suchen hat. Schon gar nicht im Vorstellungsgespräch. Während ich mich entscheide, die allzu persönliche Anrede einfach großzügig zu überhören, hebt Herr Kyriakidis an und sagt bestimmend: „Du, die Atmosphäre hier im Besprechungszimmer ist doch sehr steril. Lass uns zum Italiener rübergehen. Und dann können wir immer noch entscheiden, ob wir zu dir oder zu mir gehen.“ Wie bitte? Das hat er jetzt doch nicht wirklich gesagt! Hat der Drogen genommen? Zumindest hat er das Ende meiner Toleranz erreicht und ich sage sehr bestimmt: „Erstens bleiben wir im Besprechungszimmer und zweitens beim Sie.“ Sichtbar erstaunt über diese barsche Anordnung von mir spielt er am Anhänger seiner Kette, legt den Kopf etwas zur Seite, lächelt und sagt: „Ach komm. Ich weiß doch, dass du es kurz und knackig magst.“ So, das reicht. Ich drücke auf den Knopf der Gegensprechanlage in der Tischmitte und bitte meine Sekretärin, Herrn Wagner kommen zu lassen. „Wer ist Herr Wagner?“ will Herr Kyriakidis wissen. „Das werden Sie gleich sehen; gedulden Sie sich bitte einen Moment.“, gebe ich etwas unterkühlt zurück. Es dauert auch nicht lange, bis es flüchtig an der Tür klopft und ohne auf eine Aufforderung zu warten, ein großer, kräftiger Mann eintritt. Breitbeinig und mit verschränkten Armen bleibt er nahe der Tür stehen. Mimik, Gestik, Haltung und Uniform des Hünen lassen das Grinsen im Gesicht meines Gegenübers erstarren. Ich nutze den Moment und sage trocken: „Darf ich vorstellen: Herr Wagner vom Sicherheitsdienst. Er wird Sie hinausbegleiten.“ Ich bleibe fassungslos zurück. Das glaubt mir doch keiner. Bei einer Tasse Kaffee sortiere ich mich neu und rufe Heike an. Ich erzähle in knappen Sätzen, aber unter Verwendung der exakten wörtlichen Rede, was sich da in meinem Besprechungszimmer vor wenigen Minuten abgespielt hat. Erst ist es ganz still am anderen Ende der Leitung, doch dann prustet Heike in den Hörer und lacht schallend. Tatsächlich hat sie auch eine Erklärung für die Scharade, die Herr Kyriakidis da eben abgezogen hat. Sie selbst war diejenige gewesen, die ihm den Tipp gab, er solle bei mir gleich zur Sache kommen. Gemeint hat sie allerdings, er solle ausnahmsweise sein sonst übliches Süßholzraspeln lassen und meine Fragen kurz und knackig beantworten. Na, das ging ja mal gründlich daneben. Ob ich Herrn Kyriakidis eine zweite Chance gebe, will sie von mir wissen. Ja? Nein! Vielleicht?!
Ob Herr Kyriakidis tatsächlich eine zweite Chance bekommt, erfahren Sie im Buch auf Seite 109.
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